Nachtrag: Bericht von Jörg Riekenbrauk
Der vegetarische Tiger sitzt gerade in seiner Mittagspause auf dem
Balkon des Hotel-Appartments in Warschau und versucht sich ein zweites
Mal an einer Ergänzung des netten Berichts von Christof. Der erste
Versuch verschwand im Nirwana, nachdem ich mehrere Wodkas investiert
hatte, um möglichst wahrheitsgetreu wiederzugeben, was uns in Mallorca
widerfahren ist. Allein, das Netz der Hotelbar in Posen meldete "bad
request" und meine Bemühungen waren ähnlich erfolgreich wie in der
ersten Partie gegen GM Movsziszian.
Ich fand das Turnier von meinen Partien her durchweg interessant.
Allerdings waren die Gegner entweder deutlich besser oder deutlich
schlechter - bei Christof hielt sich das schon eher im Rahmen. Die
Spielbedingungen waren ok, Rainer würde neben den Holzfiguren den
hohen Frauenanteil positiv vermerken. Ich kenne das allerdings von den
Turnieren in Polen und Frankreich; es ist eher so, dass der Frauenanteil
beim deutschen Schach sehr gering ist.
Interessant ist in dem Zusammenhang, dass man das weibliche Äquivalent zu Leuten wie den Grossmeistern Plaskett oder Lalic nicht
findet. Bei Plaskett kann man nur vermuten, dass er seine Trainingshose
in einem unbemerkten Augenblick unter einer Autobahnbrücke entwendet
hat - sie dürfte ähnlich wie der Anzug von GM Lalic seitdem keine
Reinigung mehr erfahren haben.
Ähnlich exzentrische Spielerinnen sind nicht zu finden, dafür ist
der Glamour-Faktor bei der weiblichen Fraktion deutlich höher. Ich war
sehr angetan von meiner Gegnerin Olga Dolzhikova und auch von der
spanischen Nachwuchsspielerin Irene Nicholas Zapate, zu der der aus
Dinslaken stammende Schachfreund Achim Müller gehässigerweise
behauptetete, sie könne meine Enkelin sein. Das war allerdings nach
einer Niederlage, einige Tage vorher hatte er noch philopsophisch
bemerkt, "da möchte man nochmal 16 sein...".
Also, wie man sieht, hatten wir einigen Spass. Das Essen war gut und
wurde in der Regel auch noch um ein Uhr nachts serviert - zur Diät
eignet sich dieses Turnier eher nicht. Auch empfiehlt es sich, noch
einen Urlaubstag dranzuhängen - insbesondere nach den letzten beiden
Runden (Remis nach Mitternacht gegen WGM Olga Dolzhikova, anschliessend
rasches Essen und Vernichtung des gekauften Weins, 9.30 gegen WIM
Agniezka Clement-Haumichblau mit einem Finale, bei dem sich der
Hustenreiz ständig steigerte wie die Musik in Griegs "In der Halle des
Bergkönigs" aus Peer Gynt; da hätte ich einen weiteren Tag Urlaub doch
sehr genossen statt um ein Uhr nachts nach Hause zu kommen und um zehn
vor neun wieder einen ICE zu besteigen).
Ansonsten bleibt anzumerken, dass der Geräuschpegel während des
Turniers nicht übermäßig hoch war - ganz empfindlich sollte man
allerdings auch nicht sein. Die Temperaturen waren ja auch moderat, da
habe ich Kärnten letztes Jahr viel schlimmer empfunden. Die relativ
schnelle Spielzeit kannte ich bereits von den letzten
Frankreich-Turnieren. Es hilft aber nicht, um nervöse Leute ruhiger zu
stimmen.
Ich könnte auch am nächsten Donnerstag dem 29.5. (Feiertag, wenn ich das
richtig sehe) die eine oder andere Partie vorstellen, falls jemand Lust
hat.
Bericht von Christof Sielecki
Wir sind wieder im Lande - allerdings sind die Temperaturen auch nicht anders als auf Mallorca :-)
Die letzte Runde gestern fand um 9:30 Uhr statt, was angesichts der
späten Endzeit der Runde zuvor ziemlich brutal war. Mit rund 3-4 Stunden
Schlaf und 8 Runden "auf dem Tacho", wie Kollege Lehmann formulieren
würde, war ich wirklich begeistert, das mein Remisangebot an GM Galego
nach rund 30 Minuten Spielzeit angenommen wurde. Der sympathische
Portugiese murmelte nur "too early!" und lachte.
Jörg hatte es erneut mit einer Gegnerin zu tun, die nominell deutlich
überlegen war (Elo 2250). Die Partie verlief lange unspektakulär, aber
nach und nach zeigten die kleinen Nadelstiche Wirkung und Jörg kam in
Schwierigkeiten, derer er nicht mehr Herr werden konnte - somit leider
eine Niederlage zum Abschluss.
So sieht unsere Bilanz in Zahlen aus:
Name |
 Jörg Riekenbrauk |
Startrang |
100 |
Elo |
1947 |
Elo national |
0 |
Elo intnational |
1947 |
Eloperformance |
2067 |
FIDE Elo +/- |
12.9 |
Punkte |
4.5 |
Rang |
84 |
Föderation |
GER |
Ident-Nummer |
0 |
Fide-ID |
4693264 |
Geburtsjahr |
1963 |
Jörgs Turnier verlief wirklich spektakulär. Am Ende steht ein
Elo-Plus von 13 Punkten, was aber dem Inhalt der Partien nicht so
wirklich gerecht wird.
In den Partien gegen GM Movszisian, FM Quintin und WGM Sudakova hatte
er jeweils totale Gewinnstellungen, aus denen am Ende nur ein halber
Punkt resultierte. Ein "Skalp" mit vollem Punkt wäre hier sicher das
i-Tüpfelchen auf ein starkes Turnier gewesen. Alle nominell schlechteren
Gegner schlug er deutlich, etwas unglücklich die Paarung gegen den
Neunjährigen Briten, der sicher weit gefährlicher war als das Rating
andeutet. Jörg wird sich sicher auch noch einmal äußern, ist aber heute
schon wieder beruflich unterwegs.
Name |
 Christof Sielecki
|
Titel |
IM |
Startrang |
33 |
Elo |
2405 |
Elo national |
0 |
Elo intnational |
2405 |
Eloperformance |
2477 |
FIDE Elo +/- |
12.3 |
Punkte |
6 |
Rang |
19 |
Föderation |
GER |
Ident-Nummer |
0 |
Fide-ID |
4620437 |
Geburtsjahr |
1974 |
Ich bin mit dem Turnier voll zufrieden. Der Start war hervorragend
mit dem Highlight gegen GM Kveinys, der sich allerdings mehr oder
weniger selber umbrachte. Gegen Solodovnichenko war mehr drin, aber er
hat das wirklich sehr gut gemacht - Elo um 2600 ist schon was. Runde 5
war eine klare Sache und ein wichtiges Ergebnis, um sich oben im Turnier
fest zu setzen. Danach war ich in jeder Runde jeweils "untere Hälfte"
und bekam Gegner, die zwar besser auf dem Papier waren, aber noch in
Schlagdistanz. GM Paunovic in Runde 6 hätte ich aus der Stellung sehr
gerne geschlagen, aber diese Leute sind zäh. Ich muss mir noch mal
ansehen, wo ich da besser spielen konnte. Runde 7 war ein sauberes
Remis, in Runde 8 war auch am Ende mehr drin, nachdem die Eröffnung eher
mau war. Was klares ging aber auch nicht. Die letzte Runde war ja wie
oben beschrieben praktisch kampflos.
Das Turnier hat gezeigt, dass eine GM Norm für mich noch recht weit
weg ist. 2600 erspielen ist halt sehr schwer. Aber mal anders gesehen:
ich habe ja sehr lange für die letzte IM Norm gebraucht (OK, ich hab nur
Mannschaft gespielt, aber trotzdem) - nun habe ich die dritte IM Norm
in Serie gespielt: Faaker See letztes Jahr, Oberliga NRW, LLucmajor.
Diese "Normen" brauche ich zwar nicht mehr, ist aber trotzdem eine gute
Bestätigung.
Zum Turner generell: ich kann das Turnier empfehlen und liste mal Pros/Cons auf:
- Guter Zeitpunkt im Jahr. Wetter warm, aber nicht brütend heiß,
Arenal als Spielort noch nicht total von Touristen-Asis überlaufen. Die
Deppen hat's zwar schon, aber man kann dem aus dem Wege gehen
- Man kann noch eine Menge tagsüber machen - Mietwagen sinnvoll
- prima Essen und genereller Urlaubswert
- Spielbedingungen für Bretter 28-90 gut (Klimaanlage)
- Raum für Topbretter 1-27 keine Klimaanlage, stickig
- Holzbretter für alle, bis auf wenige Ausnahmen am Tabellenende.
- alles pünklich und gut organisiert
- nur eine Doppelrunde
- ziemlich laut, da man schon mal die Fenster auf machen musste und dann der Lokal-/Partylärm reindringt
-
extreme Zeiten! Die Runden begannen um 20:30 Uhr. Selbst mit der
schnellen Bedenkzeit von 90min/Partie plus 30 sek Inkrement spielt man
oft bis nach Mitternacht. Danach noch ein Bierchen und einen Happen
Essen und man ist 3 Uhr im Bett. So kommt natürlich alles leicht
durcheinander.
- die schnelle Bedenkzeit ist sicher nicht jedermanns
Sache. Ich fand es angesichts der Temperaturen und Rahmenbedingungen OK,
aber man kann das nicht mit 7 Stunden Partien vergleichen. Es kann sehr
leicht Schnellpartiecharakter bekommen, wenn beide früh Zeit
investieren.
Vielleicht stellen Jörg und ich im Juni mal am Vereinsabend ein paar Partien vor. Wir müssen das noch besprechen.
[Bericht: Christof Sielecki, Fotos: Archiv]